12.11.2014
Martin Reichert Erwachsen
Pornografisierung der Schule
FRÜHER WAR NOCH WIRKLICH ALLES IN ORDNUNG, UNTENRUM
Aus gegebenem Anlass versuche ich mich an den Themenkomplex Sexualität und Schule zu erinnern. Zeitpunkt: achtziger Jahre. Also die Zeit, in der es dann wohl noch besser an Deutschlands Schulen war. Als noch nicht überall Werbung für Homosexualität gemacht wurde. Als Schüler noch nicht „gezwungen wurden, Homosexualität gut zu finden“, wie gerade der Osnabrücker Sozialwissenschaftsprofessor Manfred Spieker beklagte. Die guten alten Achtziger. Eine Zeit, in der von einer „Pornografisierung der Schule“, wie sie der Chef des baden-württenbergischen Philologenverbandes beklagt, noch keine Rede sein konnte.
Damals war zumindest in der rheinland-pfälzischen Provinz noch wirklich alles in Ordnung, untenrum. Wenn ein Schüler fragte, was er denn da für „einen Knochen“ zwischen den Beinen hatte, sagte der Lehrer: „Das ist kein Knochen, das ist Fleisch und Blut.“ Damit war alles geklärt. So war es auch, wenn man fragte, was es mit „Damenbinden“ auf sich hat. Die Antwort: „Frauen brauchen das, wenn sie ihre Tage haben.“ Alles klar.
Wenn mich nicht eine Schulfreundin unter dem Schwimmbadfön aufgeklärt hätte, wüsste ich bis heute nicht, wie das mit den Bienen und Blumen wirklich funktioniert.
Im weiteren Verlauf der Achtziger wurde es nicht besser. Obwohl aufgrund von Aids umfassende Aufklärung notgetan hätte. Es gab die obligatorische Banane im Bio-Unterricht. Aber damit hatte es sich dann auch. Von Homosexualität war nun wirklich keine Rede. Einmal erwähnte meine Englischlehrerin anlässlich einer Oscar-Wilde-Lektüre einen ehemaligen Schüler, von dem man höre, dass er eventuell homosexuell sei. Und sie könne sich wirklich nicht vorstellen, dass ausgerechnet dieser nette junge Mann „solche Neigungen“ haben könnte.
Nein, das konnte man sich nicht vorstellen. Und wenn ein hübscher junger Mann von der Autobahnbrücke gesprungen war, stand bloß wieder eine „Warum?“-Traueranzeigen in der Lokalzeitung. Ja, warum nur?
Stattdessen gab es Kussverbote auf dem Schulhof, sodass sogar die heterosexuellen Schüler gezwungen wurden, auf der Klappe zu knutschen, also in der Schultoilette.
Trotz aller fehlenden Propaganda, trotzdem mich der lange Arm der sogenannten Homosexuellen-Lobby anscheinend in der Südeifel nicht erreichen konnte, hatte ich dann viel, viel später mein Coming-out. Der Autobahnbrücke konnte ich gerade noch so entrinnen. Und auch der nächsten Rastplatztoilette, in der ich mir, unaufgeklärt, wie ich war, alles Mögliche hätte einhandeln können. Mit fünfzehn oder sechzehn.
Aus gegebenem Anlass erinnere ich mich an all diese Dinge. Weil ich die Debatte über die Bildungspläne in Deutschland einfach nur erbärmlich finde. Erbärmlich, weil hier wider besseres Wissen Kausalzusammenhänge umgedreht werden. Geht es doch offensichtlich nicht darum, Jugendliche zu Homosexuellen zu erziehen, sondern Homosexuelle in der Lebensphase zu schützen, in der sie am verletzlichsten sind. Nämlich dann, wenn sie Jugendliche sind. Muss man das wirklich erklären?