7.12.2017
Martin Reichert Herbstzeitlos
Stille Momente in Rom, an einem sonnigen Wintertag
Ganz in der Früh an einem Dezembertag in Rom. Nach einer Vollmondnacht, in der nur von fern Verkehr rauschte, ist der Himmel eisig blau, und die Sonne bescheint warm klassizistische Gebäude, deren helle Fassaden das Licht so stark reflektieren, dass man eine Sonnenbrille tragen darf. Sogar in der Metro setzt mancher sie nicht ab, wohl um vergessen zu machen, wie zugig es dort unten in den Katakomben ist und dass Daunenjacken getragen werden in grellen Farben und Mäntel und Schals.
Ein mittelalter Mann hat den Bürgersteig auf der Brücke gefegt, mit einem einfachen Haushaltsbesen. Laubhaufen, mit Plastikmüll durchsetzt, häufen sich eindrucksvoll an den Rändern. Für seine Arbeit ist der Mann nicht von der Stadt bezahlt worden, er will eine Spende haben dafür, dass er sich um den öffentlichen Raum bemüht. Man sieht einige Münzen, auch silberne, in der Pappbox, die er aufgestellt hat.
Eng gedrängt stehen die Menschen in der Metro, Linie A, in Richtung Stadtzentrum. Sie sprechen laut, sie drängen und schubsen, schniefen, schnauben und husten. Die Stationen werden laut plärrend angesagt von einem Mann, der wohl aus Blech ist, sich aber trotzdem recht vital und sonor anhört, es muss an der Sprache liegen, „Ponte Lungo“ knarzt es aus dem Lautsprecher.
Die Touristen sind noch nicht auf den Beinen, und wenn doch, dann stehen sie am Frühstücksbuffet des Hotels. Am Trevi-Brunnen stehen zwei Polizisten Wache und haben ein Auge auf ein einziges Paar, das sich mithilfe einer Selfiestange ablichtet, ältere Damen auf Scootern ziehen knatternd vorbei. Selbst das Pantheon ist noch fast verlassen, eine Frau im Kostüm begrüßt die wenigen Besucher, missbilligende Blicke auf unpassende Kleidung werfend, „Please don’t write your name on the walls“ steht drinnen auf einem Schild, einer aber steht ganz groß geschrieben, „Vittorio Emanuele II.“. Die Sonne wirft einen leuchtenden Fleck auf die Innenseite der riesigen Kuppel, es ist angesichts des Zeitgeschehens fast beruhigend, dass dieses Gebäude hier so gut erhalten steht, mag auch das Römische Reich lange untergegangen sein – noch immer sind Menschen hier und leben und lieben.
In einem kleinen Laden gibt es Espresso macchiato und mit Schinken und Mozzarella belegte Croissants oder solche mit Crema oder Schokolade gefüllt. Der Kellner sieht aus, als wäre er einem spätmittelalterlichen Gemälde entsprungen, ein Gesicht, so ewig wie die Stadt, aber das Lächeln ganz im Jetzt. Im Stehen nimmt eine korpulente Blonde ihr süßes Gebäck und ihren Kaffee zu sich, auf Italienisch sagt sie zu der Frau hinter dem Tresen: „Wie still es hier gerade ist, so schön. Aber ungewöhnlich.“ Nur die Kaffeemaschine knackt.
Doch schon geht die Tür auf, eine Gruppe junger Männer drängt herein, es ist Zeit für einen Espresso und Dolce und überhaupt, „Ciao, bello!“. Es ist ein Gedränge und Geschiebe und noch mehr Menschen kommen herein, junge Frauen, und die Kaffeemaschine zischt nun und sprotzt, und es wird sehr laut gesprochen und gelacht, und die Menschen sind schön. Alles andere wäre, seien wir ehrlich, eine furchtbare Enttäuschung gewesen.