Kolumne 177

1.3.2018

Martin Reichert Herbstzeitlos

Die Vergänglichkeit des liebgewonnenen Vorglühens

Der Erste war, logisch, ein Fahrschulwagen. Ein Audi 80, der schlecht nur innen roch, weil der Angstschweiß Hunderter pubertärer FahrschülerInnen und „Prüflinge“ in die hellgrauen Stoffpolster gedrungen war. Ein Diesel, gar ein Turbodiesel war es, mit dem man die Berge in der Eifel auch hinaufkam, ohne das Gaspedal bis zum Bodenblech durchzudrücken. „Drück mal drauf, bis hinten die Briketts rausfliegen“, pflegte mein Fahrschullehrer zu sagen, wenn ich zu zaghaft war und es doch galt, einen Traktor mit Anhänger zu überholen.

Traktor, das war das Ursprungsimage des Diesel-Pkws, und in besagter Eifel ging die Fama um, dass die Bauern sich allesamt einen Mercedes 200 D geleistet hatten, damit sie ihre „Wanderdüne“ klandestin mit wesentlich günstigerem Heizöl aus dem Keller betanken konnten. Später fand man heraus, dass man diese Mercedesse der Baureihe W 123 sogar mit Salatöl betreiben konnte – egal was im Tank ist, diese Autos fahren jedenfalls noch immer zu Tausenden als Taxis in Beirut oder Marokko.

Jedenfalls war der Begriff „Heizöl-Ferrari“ gesetzt für die nun zahlreich in Erscheinung tretenden Turbodieselfahrzeuge, die mit der Lahmheit meines eigenen ersten Autos, natürlich ein Golf Diesel, nicht mehr viel gemein hatten. Der Startvorgang meines weinroten Golf I.D. würde heute wahrscheinlich zu meiner sofortigen Verhaftung führen. Dreimal musste man die bereits maroden Glühkerzen betätigen, bevor man einen Startversuch wagen konnte. Gelang er, war das umliegende Gelände in schwarzen Rauch gehüllt, aber in den frühen Neunzigern dachte man sich nichts dabei, schließlich gab es in den Zügen noch Raucherabteile, und mit Swiss Air konnte man mit der Kippe im Gesicht über den Atlantik fliegen.

Vati erzählt vom Krieg. Später jedenfalls hatte ich keine Dieselautos mehr, weil ich „nicht genug Kilometer fuhr“. Ein Diesel lohnt sich nur, wenn man viel fährt; denn vergleichsweise günstig war ja nur der Sprit, die Steuer aber war viel höher als bei Benzinern.

Erst viele, viele Jahr später – man hatte sich längst daran gewöhnt, von Wald-und-Wiesen- Vatis mit ihren PS-starken Turbodieselkombis auf der Autobahn in einer Weise zur Seite gedrängt zu werden, wie man sie früher in den Achtzigern nur von Oberklasselimousinen kannte (Lichthupe, dichtes Auffahren) – brachte mein Lebensgefährte seinen schwedischen schwarzen Turbodiesel in unsere Beziehung ein. Was einen, im Hinblick auf meine schlecht bezahlte Tätigkeit bei der taz, skeptischen Freund zu der Bemerkung „Endlich Mittelschicht“ veranlasste und sogar für manchen Sozialneid Anlass bot bei solchen Großstadtvätern, die ihre Bruttransportbehältnisse nicht in einem großzügig bemessenen Kombi transportieren können.

Doch das liebgewordene Geschnaufe und Geschnorchel unter der Haube des fünf Jahre alten Wagens, der nur fünf Liter braucht, läuft unter „Euro 5“. Und das ist nun das Ende?

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