Kolumne 135

29.4.2015

Martin Reichert Erwachsen

Analoges Blubbern

SO KLAPPT’S AUCH MIT DER ADOLESZENZ: LAVALAMPE STATT TABLET-COMPUTER

Zur Feier der Aufnahme in die weltumspannende Gemeinschaft der Katholiken wünschte sich mein Neffe von seinem Onkel aus Berlin eine Lavalampe. Eine Lavalampe? Warum nicht: Der Junge ist gerade mal neun Jahre alt, und so wenig, wie er umreißen kann, was es bedeutet, für immer und ewig Mitglied der weltumspannenden Firma aus Rom zu werden, kann er wissen, dass Lavalampen seit den neunziger Jahren in Vergessenheit geraten sind. Denn da war er ja noch nicht geboren.

Sein Onkel, also ich, kennt Lavalampen noch aus seiner Disco-umtosten Kindheit in den Siebzigern und natürlich aus den Neunzigern, als sie plötzlich wieder blubbernd verranzte Wohnzimmer-Kneipen illuminierten. Es soll seinerzeit sogar Fachgeschäfte für Lavalampen in der deutschen Hauptstadt gegeben haben – so geht das Gerücht, das dem verzweifelt nach einer Lavalampe suchenden Onkel in hippen Berlin-Mitte-Lampenfachgeschäften zugetragen wurde. De facto gibt es jedoch in ganz Berlin keine Lavalampe mehr zu kaufen, jedenfalls keine der britischen Firma Mathmos, Erfinderin der Lavalampe, die solche noch immer in Handarbeit und trendunabhängig in UK herstellt.

Diese Information erhielt der um das Seelenheil des Neffen besorgte Onkel via Direktanruf in London – wo man ihm auch beschied, an welchen Orten in Deutschland eine solche Lampe im Einzelhandel erhältlich sei, etwa in Bietigheim-Bissingen.

Das ist eine kleine Ortschaft in der Nähe von Stuttgart, aber gerade als Homosexueller sieht man sich schließlich genötigt, den künftigen Generationen alles pädagogisch Gute zugedeihen zu lassen, gerade, wenn sie in Baden-Württemberg aufwachsen und Kommunion feiern.

In einem Fachgeschäft für gehobene Beleuchtungskörper in Bietigheim-Bissingen reservierte der Onkel also eine der beiden vor Ort befindlichen Mathmos-Lavalampen, und nur sechs Stunden und 616 Kilometer später hielt er das gute und teure Stück auch in Händen, überreicht durch freundlich-kundige Einzelhandelsfachkräfte.

Der frisch in die weltumspannende, römisch-katholische Alleinvertretungsgesellschaft eingetretene Neffe war dann nicht nur sehr glücklich über die pulsierende Magma-Gerätschaft, sondern zog das Betrachten selbiger sogar dem Wischen auf seinem ebenfalls anlässlich der Erst-Eucharistie ausgehändigten Tablet-Computer vor.

Eine Leuchte, die mit der freigesetzten Energie einer Glühlampe eine Flüssigkeit in Bewegung setzt, schlägt ein Tablet mit A7-Prozessor und bewahrt das Kind vor Ballerspielen, Porno- und Katzen-Content. Gutes Aufwachsen dank gutem Onkel.

Natürlich kann der Neffe auch nicht umreißen, wie unfähig sein Onkel in Fragen der Beschaffung war. Eine Lampe in einem Fachgeschäft in Bietigheim-Bissingen zu kaufen, anstatt sie einfach über das Internet zu bestellen, ist ungefähr so modern wie eine Tridentinische, in lateinischer Sprache gehaltenen Messe gemäß Römischem Messbuch von 1570. Im Sinne der Gemeinschaft der Katholiken kann man nur hoffen, dass lediglich diese „Contra naturam“-Retro-Zugewandtheit erblich ist.

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