Kolumne 30

19.3.2008

MARTIN REICHERT über LANDMÄNNER

Im Hasenwunderland mit Wolfgang Petry

Den Brandenburger Osterhasen geht es besser. Darf man sie deshalb für ein Berliner Ledertreffen im Stich lassen?

Die gute Nachricht zum Osterfest: Der Feldhasenbestand in Brandenburg hat sich leicht erholt – obwohl wir uns mit einer Population von rund sechs Hasen je Quadratkilometer bundesweit immer noch im unteren Drittel befinden. Eigentlich also noch immer ein Skandal, aber es liegt nicht an uns: Wir essen weder Kaninchen noch Hasen, auch nicht in Senfsauce. Ob die Hasen vielleicht alle in den Westen abgehauen sind?

Mein Freund sagt, dass es an den diversen AB-Maßnahmen für brandenburgische Menschen liegt. So werden derzeit die Sträucher auch der allerletzten EX-LPG-Allee ratzfatz weggesäbelt, und das mit einer Gründlichkeit und Beharrlichkeit, die dem Sozialismus zum sicheren Sieg hätte verhelfen können. Die Schnittreste dieser Flurbereinigung werden dann zu riesigen Osterfeuern aufgeschichtet, damit man drum herum stehen kann, um Bratwurst zu essen und Wolfgang Petry zu hören. Wolfgang Petry ist Pflicht – kein Mensch weiß, warum, mein Freund auch nicht.

Für die Feldhasen ist so ein Osterfeuer nur ein vorübergehender, wärmender Trost in ihrem wenig beschaulichen Dasein im feuchtkalten Brandenburg. Erstens werden gerade jene Gebüsche abgefackelt, die ihnen als natürlicher Panic Room dienen, wenn der Fuchs kommt, und zweitens brauchen sie im wirklichen Leben Sandwege, um sich nach langer, feuchter Nacht trocken zu hoppeln. Sonst erkälten sie sich.

Und das nun ausgerechnet zu jener Zeit des Jahres, in der ausnahmsweise mal die Zeitarbeitsfirma anruft: Es winken befristete Verträge für Osterhasen – Unmengen von bunten Plaste-Eiern müssen ausgeliefert werden, die dann an Ziersträuchern vor DDR-Rauputzfassaden angebracht werden. Ein Großteil der Lieferung ist trotz Dauerregens schon angekommen, wie wir im Rahmen einer eher melancholischen Spazierfahrt feststellen konnten – den Scheibenwischer stets auf Stufe eins.

Womit wir bei der schlechten Nachricht zum Osterfest wären: Mein Freund will an Ostern unbedingt zum Treffen der Leder-und-Fetisch-Szene in Berlin. Noch heidnischer als ein Osterfeuer und zwingend ohne Wolfgang Petry, obwohl der doch auch immer Lederklamotten anhatte. Nur mal gucken will er.

„Soso, nur mal gucken“, sagte ich und drückte auf das Gaspedal, weil er sich bei höheren Geschwindigkeiten unwohl fühlt. „Und das heißt dann, dass ich hier allein mit irgendwelchen durchgefrorenen Feldhasen am Osterfeuer rumstehe, während du in Berlin mal guckst, wie die Fetisch-Rammler gucken oder wie? Hast du auf einmal ein Problem mit Wolfgang Petry?“

Ich habe jedenfalls ein Problem mit dem Treffen der Leder-und-Fetisch-Szene. Nicht so ein anstrengendes wie Klaus Wowereit, als er dereinst ein Grußwort für das Folsom-Europe-Treffen im Sommer verfasste. Ich habe einfach nur keine Lust mich über Ostern zu fühlen, als habe jemand „Madmax“, „Matrix II“ und „Ein Käfig voller Narren“ zu einem Endlos-Trailer zusammengeschnitten und den Schlüssel zum Ausgang weggeschmissen.

Die Hasen im Stich lassen, und das ausgerechnet jetzt, wo es ein bisschen aufwärtszugehen scheint mit ihnen. Sagt sogar der Präsident des Deutschen Jagdschutzverbandes, der ausgerechnet in Bonn sitzt: „Es gibt für den Hasen in Brandenburg einen leichten Schein am Horizont“. Ja eben!

Aber für mich auch. Ich weiß nämlich jetzt schon, wie es enden wird. Ich werde zu Hause sitzen und Eier ausblasen oder so, Strümpfe stricken kann ich nicht, und irgendwann wird mein Freund total entnervt aus Berlin zurückkommen. Weil er den Endlos-Trailer schon einmal zu oft gesehen hat. Weil er weiß, dass es etwas Gutes zu essen gibt. Und weil wir zusammen am Osterfeuer stehen wollen, um die Feldhasen mit dem Handtuch trocken zu rubbeln und Wolfgang Petry zu hören: „Ein Freund, ein Mann“.

PS: Kann mir jemand kurzfristig eine Lederhose leihen? Am besten so eine mit Schnüren an der Seite. Sie bekommen sie nach Ostern gewaschen und gebügelt zurück. Versprochen.

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