Kolumne 62

14.6.2010

MARTIN REICHERT ÜBER LANDMÄNNER

Auf den Hund gekommen

DA RINGT MAN JAHRELANG UM DIE HOMOEHE – UND AM ENDE WOLLEN ALLE DOCH BLOSS EINE HUNDESTEUERMARKE HABEN …

Es gibt Menschen, die sagen, der Grand Prix sei in Deutschland seit Lena eine heterosexuelle Veranstaltung. Ich kann aber zunächst nur erklären, warum mein Mann und ich einer eigentlich rein homosexuellen Eurovisions-Public-Viewing-Party in Berlin fernblieben: Der Gastgeber hatte die Veranstaltung kurzfristig abgesagt, weil sein gerade angeschaffter Hund mit so vielen Gästen überfordert gewesen wäre. Den Hund wiederum hat er sich bloß angeschafft, weil es mit der künstlichen Insemination bei einem befreundeten lesbischen Paar nun schon zum fünften Mal nicht geklappt hat.

Die Party, an der wir nicht teilnahmen, wurde nun wegen des jungen Hundes in einen heterosexuellen Kontext verlegt, was zu ungeahnten Konflikten führte: Die Hetero-Typen auf der Grand-Prix-Party führten sich laut Auskunft unserer Freunde schlimmer auf, als es beim WM-Public-Viewing erlaubt ist, und pöbelten vereinzelt ausgelassen tanzende Homos an, die daraufhin die Party frühzeitig verließen – und das in Berlin-Mitte.

Die vergraulten Homos gingen danach in eine kleine schwule Kellerbar in dem eben genannten Stadtteil, um unter sich zu sein. Was aber nicht möglich war, weil überall überdimensionierte Hunde herumstanden oder lagen. Es ist alles ein Durcheinander und niemand weiß mehr so richtig, wo sein Platz ist.

In meiner Zeitung zum Beispiel schreiben nun die Heteros raumgreifend über den Eurovision-Song-Contest, während die WM-taz von einem Homo verantwortet wird. Eine Zunahme von Hunden in der Redaktion konnte ich jedoch bislang nicht feststellen.

Das mit der Eurovision hat ja nun bei meinem Mann und mir nicht geklappt, doch Gott sei Dank hat die schwule Saison gerade erst begonnen. Als es aber um einen gemeinsamen Termin für den Besuch des schwul-lesbischen Stadtfestes in Berlin-Schöneberg ging, erhielt ich aus dem Freundeskreis die Ansage, dass man an diesem Wochenende zu Peter fahre, der mit seinem neuen Hund (!) auf dem Lande eine Party gäbe. Mit WM-Public-Viewing. Was kommt denn bitte als Nächstes? Fällt der CSD aus, weil Deutschland gegen Litauen spielt?

Das wäre übertrieben. Eher kommt niemand zum CSD, weil die laut wummernde Musik nichts für empfindliche Hundeohren ist und man auch nicht möchte, dass sich einer der vierbeinigen Gefährten während der Parade einen Glassplitter in die Pfoten läuft. Wenn das so weiter geht, verpassen mein Mann und ich in diesem Jahr sämtliche Großveranstaltungen und verlieren zudem den Anschluss in Fragen zeitgemäßen Tierbesitzes. Das würde bedeuten, das wir einsam auf dem Land hocken und unleidlich unsere Katzen streicheln. Den Heteros gehört der Grand Prix, die Homos gucken stattdessen WM und sind dermaßen auf den Hund gekommen, dass man auf Facebook glaubt, einen Online-Versandhandel für Welpen betreten zu haben.

Man ringt jahrelang um die Homoehe, und am Ende wollen sie bloß eine Hundesteuermarke. Und machen einen größeren Bohei um ihren Hundenachwuchs als drei Spätgebärende aus dem Frühförderungskurs.

Rettend war da nur die Party-Einladung eines Freundes, der als Modeschöpfer arbeitet, einen Papagei hat und sich zum Geburtstag keine Fußballschuhe wünscht, sondern solche aus Krokolederimitat. Das hat etwas Verlässliches.

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